Performance
Titel:
BROKEN SOCIAL SCENARIO Pt.I
Aufgeführt am 09.05.2007 als Reenactment der ursprünglichen
Performance vom 22.11.2007 in der Galerie C&V in Mullet / Quebéc
/Canada
Aufführungsort / Kontext:
Das Künstlerhaus Frise e.V. in Hamburg-Altona wird von einer Ansammlung
freischaffender KünstlerInnen gemietet. Das Haus ist in diverse Ateliers,
Werkstätten und einen Galerie-Bereich unterteilt. Es wird von der
Kulturbehörde Hamburg finanziell unterstützt. Dies bringt gewisse
Auflagen mit sich, die sich der jeweiligen politischen Situation in Hamburg
entsprechend entspannen oder verschärfen. Zu diesen Auflagen gehört
vor allem die Forderung nach erkennbaren Bemühungen um eine gewisse
Präsenz des Künstlerhauses in der Kulturlandschaft Hamburgs.
Aus diesem Grund und teilweise auch aus Eigeninteresse, hat sich die Frise
e.V. überlegt, jedes Jahr ein Kuratorenteam bestehend aus zwei oder
drei Mietern des Hauses aufzustellen, das sich dann für die Bespielung
der Galerieräume verantwortlich zeigt. Im Jahr 2007 haben die damaligen
Kuratoren eine Ausstellungsserie unter dem Titel "Copieren und Verfälschen"
umgesetzt, mit einem monatlich wechselndem Schwerpunkt.
Die AtomicTitCorporation wurde zu dem 3.Volume "The Great Etiketten
Swindle- f for fake" zusammen mit ca. 8 anderen KünstlerInnen
und Künstlergruppen eingeladen. Bei zwei vorbereitenden Treffen wurden
die verschiedenen Arbeiten untereinander vorgestellt und der Aufbau der
Ausstellung wurde gemeinsam besprochen. Die Performance der ATC fand bei
der Eröffnung des Volumes statt. Die ATC versuchte, mit der Performance
direkt auf alle anderen Arbeiten des Volumes Bezug zu nehmen. Gleichzeitig
war der Text Teil von Jadwiga Stummanns Bewerbung für das Reisestipendium
der Stadt Hamburg, das alle zwei Jahre an KünstlerInnen vergeben
wird.
Dauer:
45min
Materialen:
- Kostüm Itty: schwarzer künstlicher Bart, grün-weisse
Jacke mit gefälschten Logo Applikationen, ein silberner Sportschuh
von Nike
- Kostüm Legasto: Waldmann-Maske, Perücke, beige Decke, Badelatschen
- grünleuchtender Bürowasserspender auf weissem Sockel
- ‘Dritte Hand’ (Feinmechaniker Hilfsgerät) mit zwei
eingespannten CD-Rohlingen
- Taschenlampe
- grüne Topfpflanze in weissem Topf
- weisser Sockel
- Plastikwasserflasche
- Axt
- Rollbrett
- Videoprojektor
- Video-Loop (abgefilmter Apple-Bildschirmschoner: "Flurry"
plus Nebeleffekt aus I-Movie-Software und mit Müllsack als Berglandschaft
im Vordergrund)
Performance Ablauf:
Das Publikum sitzt auf Stühlen.
Legasto und Itty betreten den Raum und drücken den Gästen jeweils
einen CD-Rohling in die Hand.
Itty stellt sich auf das Rollbrett.
Legasto stellt sich hinter dem Wasserspender auf.
Itty liest den Text.
Legasto steht während der ganzen Zeit fast regungslos.
Am Ende des Textes beginnt Itty den Text 'Ah-ah-ab-zieh' zu singen.
Legasto stimmt ein und trommelt rythmisch auf dem Wasserspender.
Beides wird mindestens drei Minuten gehalten.
Legasto geht klatschend und singend zu Itty und holt sie ab.
Sie schreiten zusammen singend und klatschend durch den Raum und aus der
Tür.
BROKEN SOCIAL SCENARIO
(Text)
Intro und Zusammenfassung
Atomverseuchte Zitatwälder an Autobahnen, auf denen Limousinen von
Popstars, Ameisen, hellblaue Fords und italienische Panzer aus dem ersten
Weltkrieg cruisen. Armeen voller Mädchen mit dicken Brillen, hochtoupierten
Haaren, viel Kajal und Rock im Blut;
mit 180 bpm ziemlich straight unterwegs ins queere, schwule und happy
hardcore Kanada.
Es war Flucht, ich hatte keine Lust auf diese Reise, man bleibt nämlich
immer Zuhause, auch wenn man noch so heftig fortfährt von Daheim.
Der Mong, der Kaff, der Indi und der Male, der Hof des Kaisers der Reußen
und die Frau des Papu, sie alle niesen a - a - abzieh. Zuweilen wird eine
dieser Silben aus gesundheitsschädlichem Schicklichkeitsgefühl
etwas verkürzt, sie ist aber stets da, wenn auch in Verstümmelung.
Hier sollten Sprachdesigner anfassen:
Ab - zieh oder Ha - tzieh: die beiden Grund- und Ursilben der Menschheit.
Broken Social Scenario
Es war gut, geradezu eine Rettung, als dann plötzlich der Brief ins
Haus kam: ich sei eine von fünf glücklichen Stipendiaten, die
das Reisestipendium bekämen. Ich meine, seltsam war es schon, ich
hatte mich noch nicht einmal beworben- aber ich bin einfach in diesen
Pool von Leuten reingeraten, denen plötzlich in der Kunstwelt alles
zufällt- man kann sich kaum mehr retten vor Geldern, vor Stipendien,
vor Anfragen von Agenten von Werbefirmen, Messen und Galerien. Irgendeine
Art von Akkumulation hatte stattgefunden.
Jahrelang habe ich derbe vor mich hingekrebst, irgendwie auch aus Überzeugung-
mein Verweigerungslebenslauf war ziemlich lang. Ich hab aber keine Show
daraus gemacht, das nicht offensiv vertreten, eben nicht so Enfant-terrible-mäßig.
Nachts bin ich immer rumgezogen auf dem Kiez, bin in die Klubs reingegangen,
meist aber nur daran vorbeigelaufen und hab keine Sau gekannt, außer
den Türstehern, alte Kollegen von mir meist aus Punkzeiten. Kann
nicht behaupten, ich wäre viel auf Gästeliste reingekommen...
Ich war einfach mega-out, schlicht und einfach: ein Loser.
Das ganze Ding, die Idee mit Kanada, das war in erster Linie wegen so
einem Bildband, den ich mal als Kind bei einer Tante gesehen hab: Wälder
und große Seen, bewaldete Hügelketten und Bären- das hat
mich nie losgelassen. Und dann die Geschichte mit Myspace: das hab ich
nämlich nicht mitmachen wollen, obwohl ich ja irgendwie die Zielgruppe
davon war, einsamer Musik-Nerd kann sich vernetzen und so...aber Myspace
ist echt Kotze, eine gigantische Maschinerie, eine Münchhausengeschichte
der Selbstbeteiligung, denn die Partizipation im Web 2.0 ist tatsächlich
null. Das Ding ist aber, du kannst dich nicht mehr entziehen, du kriegst
es auf jeden Fall mit, diese ganzen angeblich neuen Technologien und Oberflächen.
Mitmachen muß man, nicht nur da- die einsamen Inseln und die Heterotopien,
das ist doch alles passé, aber sich verweigern auch keine Lösung,
zumindest nicht, wenn man eigentlich handeln möchte- dann gibt es
eben keinen guten, keinen richtigen Weg.
Ich hab also nicht so 'ne Seite gewollt bei Myspace, um mich da zu promoten,
obwohl das für mich als Musikerin ziemlich schlecht war, alles lief
ja nur noch darüber: die Einladungen, das Vernetzen mit Bands, der
ganze sogenannte Indie- bereich, all die Leute, die sich als unabhängig
bezeichnet haben, sind da rein- aber ich finds allein schon ästhetisch
eine Zumutung. Ich weiß nicht, ich steh eher auf so Sachen aus den
Fünfzigern bis zu den Siebzigern, natürlich gibt's da unterschiede,
ich willl die Epochen ja nicht so zusammenschmeißen, aber ich finde
das vergangene allgemein hübscher, ansprechender. Vielleicht weil's
weg ist, ich Abstand hab zu der Zeit, das ist so ein Retro-Effekt vielleicht,
regelrecht obsessiv bin ich damit. Ist schon besser geworden, 'ne Zeitlang
war ich so gut trainiert, daß ich all die häßlichen neuen
Sachen, die ganzen Smarts, die Twingos und Microfaserhosen einfach nicht
mehr gesehen hab, in meiner Umwelt, total ausgeblendet hab ich die. Da
waren auch keine Baulücken in der Architektur oder so, nee, ich hab
das alles einfach nicht mehr wahrgenommen und so bin ich dann durch St.Pauli
gelaufen, war original wie 1965, ich war 1965 und diese Wahrnehmung, dieses
Ausblenden, hat sogar in der neuen Hafencity funktioniert. Das klingt
jetzt total oberflächlich, ich red ja tatsächlich auch von Oberflächen,
aber warum ich auch auf diese Zeit stehe- mir ist da auch aufgefallen
z.b. in Filmen aus der Zeit ende der Sechziger, auch später, in so
Essayfilmen wie von dem Kluge, aber auch bei Fassbinder und in Büchern,
besonders bei Interviews ist es auffallend, daß eine andere Sprache
gesprochen wird. Es gibt eine Art von Genauigkeit, von Interesse beim
Sprechen miteinander. Ich habe immer mehr das Gefühl von Verlust,
daß es keine Wörter für, also auch kein Sprechen, also
auch kein Denken mehr möglich ist von bestimmten Zusammenhängen.
Ich möchte das doch einklagen, darauf bestehen. Kompliziertes kann
man nicht verkürzen, das braucht nicht nur Zeit. Gestern hat einer
zu mir gesagt, in der englischen Sprache gebe es mehrere Bedeutungen für
Dinge, also daß 'sound' 'Geräusch' bedeuten kann, aber auch
'sanft'- er bezog sich dabei auf Shakespeare und wie der das benutzt hat
in seinen Stücken, diese Zwischenräume der Sprache, und was
in diesem Nutzen der Zwischenräume vielleicht für ein Anliegen
ist; aber ich meine, dieses Wissen um diese Uneindeutigkeit, ein Wort
wie volltotalitaristisch zum Beispiel, das gibt es doch kaum noch. Ich
würde behaupten, es ist gegenwärtig ziemlich klar, welche Bedeutung
ein Wort hat, man käme gar nicht auf den Gedanken, daß es da
mehrere gibt. Ich bin mir auch nicht sicher, ob das beim Shakespeare noch
ging; die Bedeutung der Worte, das sind doch Machtfragen. Also wenn nur
ich alleine die Zwischenräume oder mehrfachen Bedeutungen der Sprache
benutze und sonst keiner, weil die nicht mehr lesbar sind, da ein Interesse
nicht da ist, dann bin ich verrückt. Die Entscheidung darüber
war ja auch schon immer eine Machtfrage. Und Shakespeare, der wäre
in den Knast gegangen. Oder er hat Glück gehabt oder war smart oder
einfach zielgerichtet oder hat sich sowieso auf Seiten der Macht befunden,
aber dann stimmt die Theorie auch nicht, daß er diese Verschiebungstechniken
angewandt hätte... subversiv heißt das wohl.
Noch so ein Wort, das bald ausstirbt. Subversion ist nicht mehr möglich.
Es gibt Versuche, etwas zu verschieben, diese ganzen Fälschungssachen,
daß man was kopiert und es dann auch nicht nach dem Original aussieht,
weil dann wäre es ja das Original. Daß man durch das offensichtliche
Fälschen einen Zwischenraum der Lesbarkeit aufmacht, der im besten
Fall etwas öffnet- es entsteht ein Handlungsraum und Spielfeld, dessen
Größe und Form auf seine Dehnbarkeit getestet wird.
Was ist das dann für ein Ding?(hält etwas hoch)
Diese Dose hab ich aus England mitgebracht. Hab' da 'nen alten Freund
besucht, der da Kunst studiert, wir sind früher beide total auf W.S.
Burroughsbecker abgefahren und haben ansonsten versucht, überall
umsonst reinzukommen. Er konnte immer sagen, daß er der Dj ist,
weil er aus England kam. Ich bin heimlich zu ihm hingefahren, denn wegen
dem Arbeitsamt darf ich eigentlich nicht weg, musste deswegen auch mit
dem Auto fahren, damit die Online-Buchung für den Flug nicht auf
meinem Kontoauszug auftauchte- jedenfalls stand ich im Stau, vormittags.
Nichts ging mehr, stundenlang standen die Autos, aufgereiht wie Perlen
auf einer Kette. Hab' nette Leute kennengelernt, aber genervt hat es doch.
Ich stellte dann fest, es war ein Streik. Alle in dem Ort, ja in der ganzen
Region, haben sich daran beteiligt, außer den obligatorischen Streikbrechern
natürlich. Neulich hat einer gesagt, von der Documenta-Leitung einer:
als Künstler darf man nicht streiken, niemals, also man kann schon,
aber dann ist man kein Künstler mehr. Aber Künstler sein müssen
ja alle, dazu zwingen die Verhältnisse einen.
Während ich jedenfalls in meiner Karre, Opel Kadett von 1976, schreiend
orange, im Streik-Stau saß, nahm ich etwas seltsames wahr- ich hatte
wohl genügend Zeit zum Nachdenken. Mir fiel auf, daß in der
Gegend doch schon lange kein Bergbau mehr betrieben wird, die Kohle raus
ist, alles versiegt- wieso also sollte dann gestreikt werden? Und dann
seh ich, daß die Kumpel alle Schilder mit Thatchers' Portrait darauf
hochhalten, aber Tony Blair doch jetzt Premierminister ist. Nach und nach
sind mir immer mehr solche Sachen aufgefallen und dann hab ich gedacht:
das Ganze hier ist eine Inszenierung. Es wird nicht gestreikt, es wird
ein Streik wiederholt. Und die Leute waren auch alle so alt: die Originalbesetzung
aus den Achtzigern, oder vielleicht sogar schon die Kinder von denen,
denn Laiendarsteller waren alle. Also gut, dieses Gefühl der Inszenierung,
das hat man ja ständig, da braucht man nur mal auf den Spielbudenplatz
zu 'ner Demo von Verdi gehen, jeden Sonntag machen die das, tot ist es,
wedeln mit Fähnchen und ne Imbißbude ist da aufgestellt, wie
auch beim 1.mai vor der Roten Flora übrigens. Oder beim Fliegen,
wo bei der Landung alle klatschen, als wärs ein Lufthansaflug nach
Miami zur Beach und nicht für einen Cent nach Düsseldorf. Oder
während dieses Gesprächs zu Shakespeare: ich hab mir das angeschaut
wie den Film von Chris Marker, wo so hippe Studentinnen in Paris Mai 68
sind. Ich hab alles in schwarz-weiß gesehen: Jungs mit Koteletten
und Seidenschals, die unter schlechten Umständen Mädchen mit
großen Sonnenbrillen am Arm halten und alle reden total engagiert,
viel Intelligentes, viel Alkohol auch und Rumgebagger. Es fand in so 'nem
Club statt, der war vielleicht mal cool, oder die Leute, die den gemacht
haben, waren interessiert und vielleicht auch interessant; jetzt aber
ist nur noch die Erinnerung toll- wenigstens aber eine kollektive Erinnerung,
denn proppevoll ist es da immer. Der Club ist ein Mythos. Ich musste dann
gehen, obwohl es nett war- steht auch nicht im Verweigerungslebenslauf.
Im Stau bin ich jedenfalls zu dem Schluß gekommen, daß es
sich bei dem Streik um ein Reenactment handelt und war total begeistert-
hab's Auto stehen lassen und wollte mich rekrutieren lassen als Streikende.
Die wollten aber keine Frauen, nur zum Brote schmieren, und ich hab dann
festgestellt, daß auch ansonsten die Stimmung ganz komisch war,
irgendwie bedrohlich. Frustriert. gelangweilt. Es wurde auch erzählt
vom echten Streik, damals in den Achzigern, wie sich das angefühlt
hat im Vergleich zu heute. Daß man heute natürlich desillusioniert
ist von vorneherein, man hat ja das Wissen, daß nichts bei rauskommt,
die Geschichte hat das ja schon bestätigt. Eine totale Zombieaktion
sei das Ganze.
Und nach drei Tagen hat das die Leute richtig wütend gemacht, diese
Frustration. Die haben angefangen, ihre eigenen Autos anzuzünden,
haben die Fenster ihrer Häuser eingeschmissen, die Polizeischauspieler
in den Kanal geworfen und sich dann gegenseitig die Fresse poliert, weil
sie festgestellt haben, daß das nicht geht, so ein Event, den sie
ja auch nicht selbst organisiert hatten und an Rebellion hat ja von vorneherein
schon keiner mehr gedacht. Das waren alles Leute, die sonst zu den Taufen
von diesen großen Kreuzfahrtschiffen fahren und da rumstehen und
Kerzen angzünden wie in Rostock-Lichtenhagen- aber für heute
war das soll voll. Es war Bürgerkrieg.
...Ich hab irgendwie den Faden verloren jetzt, ich wollte eigentlich doch
erzählen, wie es kam, genau weiß ich es ja natürlich nicht,
daß ich plötzlich dieses Reisestipendium bekam nach Kanada,
ein unglaubliches Timing, weil ich ja auch so dringend weg musste aus
Wien und dann auch aus Hamburg, eigentlich aus ganz Europa.
Es fing mit Wien an. Ich hatte mich da beworben, Artist in Residence,
drei Monate, hatte ja aber nichts vorzuweisen, keinen Lebenslauf und daher
keine Chance, das zu bekommen. Fast aus Trotz hab ich mir diese Myspace-Sache
ausgedacht: ich hab mir in Myspace ein gigantisches Netzwerk gebaut- lauter
coole Freunde gehabt- alles erfolgreiche oder zumindest hippe MusikerInnen,
KünstlerInnen, SchriftstellerInnen, mit denen ich weltweit regen
Austausch gepflegt, auch viel mitgekriegt hab'- neueste Trends, total
im Knotenpunkt. Ich war ein Knotenpunkt. Plötzlich war mein Gesicht
mein Stempel, meine Eintrittskarte zur Welt. Der Witz war, alles war ausgedacht.
Die Freunde, die Korrespondenzen, die Zusammenhänge. Ich hatte mich
grandios ausgebeutet, also in mehrere zehntausend Freunde gespalten und
mich dann wieder vernetzt.
Für dieses Residence-Ding in Wien hab ich dann einfach meine Myspace-Seite
als Referenz angegeben und schon war ich relevant: ich durfte drei Monate
lang ein gelbraunes Zimmer in einem jugendherbergsähnlichen Gebäude
als Wohn- und Arbeitsraum nutzen. Ein Stockwerk im Haus bestand aus diesen
Künstlerzimmern, die restlichen wurden von Rekruten der österreichischen
Armee bewohnt- es gab auch noch einen Segelflugverein und eine Judoschule.
Ich fand es aber gut, ich war einfach total froh, dieses Stipendium bekommen
zu haben. Und meine Myspace-Seite wurde plötzlich real: ich hab in
Wien Leute kennengelernt und da an der Uni eine Lecture-performance gemacht,
das ZKM-Karlsruhe hat dann mein Myspace-Projekt für eine Gruppenausstellung
haben wollen, so fing das an, daß ich plötzlich total in diesem
Kunstmarkt drin war. Hab viel gemacht zu Fälschungen, hab Behauptungen
aufgestellt, weiterhin versucht, Kritik zu üben oder kritisch zu
bleiben- darüber hatte ich dann 'ne Gastprofessur in Frankfurt, wo
ich von vorneherein den Leuten gesagt hab: so und so läufts auf dem
Kunstmarkt, das sind die Bedingungen. Die täglichen Geschäfte
werden verrichtet in Arbeitslaune, wie ein Haustier scheißt. Auch
jegliche Kunstsamkeit, aber alles wird ganz zauberhaft gewesen sein müssen,
denkt man sich prospektiv, wenn man sich das Papier herrichtet und die
Schreibmaschine und den Kaffee und den Schnaps und die Magentabletten,
den Döner, die Bäckerei, den Schnürsenkel und den Kopf.
Ich erklärte meinen Schülern drei Grundsätze: 1. etwas,
das ich heute mag, mochte ich gestern noch nicht. 2. etwas, das ich heute
nicht mag, werde ich morgen mögen. 3.: alles, was ich mag, mag mein
schlimmster Feind auch.
Alle dachten dann immer, das wäre von Kippenberger, aber von dem
hab ich nur übernommen, daß alle in meiner Klasse in Tennisklamotten
rumlaufen müssen. Weil bei dem Sport, da gibt es nur Konkurrenz.
Keiner hilft Keinem. Freunde brauchen keine Hilfe.
Was man allerdings braucht, ist ein Netzwerk- das hab ich heute wieder
beim Arbeitsamt gemerkt, hab das HartzIV-Geld nur bekommen, weil eine
Bekannte von mir mit meiner Sachbearbeiterin im selben Fußballverein
gespielt hat. Hätt' ich diese Macht von Netzwerken damals schon erkannt,
ich hätte heute nicht zum Amt gemusst.
Ich fand dann nämlich dieses dasein im Kunstrahmen, aus dem man nicht
rauskommt, alles was man sagt, also tut, wird immer gleich geschluckt,
immer gleich kuratiert, besonders kritische Haltung, immer nur teilnehmen
kann man, darin ist keine Freiwilligkeit, ich fand das so zum Kotzen,
daß ich versucht hab, etwas dagegen zu unternehmen. Ich hab angefangen
zu fragen, auch auf meinen eigenen Ausstellungen: daß man aufhören
muß mit der Kunst, daß man sie und vielleicht auch sich selbst
zerstören muss, oder überflüssig machen muss, weil die
Bedingungen, die sozialen, politischen und ökonomischen, einfach
unmöglich sind und diese Bedingungen es auch überhaupt nicht
möglich machen, in diesen Begriffen hoffnungsvoll von Kunst oder
nicht Kunst zu sprechen und zu denken und zu handeln. Und siehe oben,
daß man sich ja auch nicht außerhalb dieser Bedingungen bewegen
kann. Daß da eine totale Illusion ist. Wie verläßt man
einen Dreck so nachdrücklich, daß er sich selber bewußt
als Aggregatszustand angehören und beiwohnen muß? Hab solche
Sachen gesagt und dann Leute, nette Leute auch, und Bekannte, angespuckt
und beschimpft. Hab gesagt, daß alle doch nur wiederholen, sich
selbst und andere und daß Innovation der Tod ist. Wiederholung wiederholen
muss man. Und jeder, der diesen Grundsatz beherzigt, wird Schwierigkeiten
mit seiner Karriere bekommen. Oder ich hab versucht, ein Schaufenster,
in dem ein Selbstportrait von mir hing, mit einem Pflasterstein einzuwerfen,
der Museumsshop vom Museum Ludwig in Köln war das. Dabei ist aber
nur der Stein kaputt gegangen und komischerweise ist ein silberner Nikeschuhe
aus dem Stein rausgeplatzt und in dem hilflosen Versuch, weil ich schwach
geworden bin, doch noch eine Performance aus der Misere zu machen, hab'
ich den angezogen und bin weggehumpelt. Das war auch ein Wendepunkt. Zum
ersten Mal haben Leute dabei über mich gelacht, mich ausgelacht,
wo sie sonst immer wohlwollend geklatscht haben. Und plötzlich haben
sich alle gegen mich verschworen, keiner wollte mehr was mit mir zu tun
haben, es kamen keine Einladungen mehr, Leute sind weggegangen, wenn ich
reingekommen bin, ich wurde mit Unsichtbarkeit gestraft, weil ich in mein
Körbchen gepinkelt hatte. Als ich dann betrunken tatsächlich
jemandem aus reiner Aggression ins Bein gebissen habe, war's aus. Ich
musste weg aus Europa (um dann in zwanzig Jahren vieelicht wiederzukommen
für einen Nobelpreis). Verfahren liefen schon und alle haben mit
Irrenhaus gedroht. Und dann, wie durch ein Wunder, kam dieser Bescheid,
dieses Reisestipendium nach Kanada, was ein bürokratischer Fehler
sein musste- da hatte wer noch nicht mitgekriegt, daß ich out war.
So kam es, daß ich nach Kanada geflogen bin. Es war Flucht, ich
hatte keine Lust auf diese Reise, man bleibt nämlich immer Zuhause,
auch wenn man noch so heftig fortfährt von Daheim.
Meine kanadischen Myspace-Bekannten haben mich mit einem Van, der mit
Holzfurnier beklebt war, am Flughafen abgeholt. Sie waren zu fünft
und begrüßten mich überschwenglich teils auf Englisch,
teils auf Französisch. Während wir schon losbrausten, kletterte
ich auf den Beifahrersitz. Es war wie eine kleine Party, Bier wurde getrunken
und laut gescherzt und aus den Boxen erklang warme energievolle Rockmusik.
Ich war müde vom Flug und natürlich etwas angespannt durch die
ganze Situation, doch inmitten der lebendigen Gesichter ließ meine
Anspannung bald nach und ich lehnte mich zurück und genoß die
Fahrt. Ich fühlte mich wohl in diesem Rock´n´Roll Roadmovie
und nickte ein.
Ich war mit dem Gesicht an das Seitenfenster gelehnt eingeschlafen und
als ich die Augen wieder öffnete, noch im Halbschlaf, erblickte ich
die atemberaubende Landschaft Kanadas. Dichte Ahornwälder, in denen
Nebel hing und rosa in der blutroten Abendsonne leuchtete, zogen an mir
vorbei; schemenhafte Tiergestalten waren darin zu erahnen, Rehe, Elche
und Bären. Über weiten, silbrig glitzernden Seen kreisten majestätisch
Seeadler und stürzten sich von Zeit zu Zeit tief in das frische Nass,
um einen Moment später mit einem sterbendem Aal in den Krallen wieder
empor in den Abendhimmel zu steigen. Die Sonne ging langsam unter und
die einsame Straße führte uns kilometerweit immer geradeaus.
Dann lichtete sich der Wald und wir erreichten eine breite, saftige Tiefebene,
an deren Horizont sich die gewaltigen Felsmassive Nordamerikas erhoben.
Es wurde immer dunkler, die ersten Sterne funkelten über rot leuchtenden
Wolken und was dann geschah, trieb mir vor rührung schwere Tränen
in die Augen: am Himmel begann ein faszinierendes Farbenspiel. Nein, es
waren nicht die Lichter einer Großraumdisco- was ich da voll Staunen
sah, war das Polarlicht.
Überwältigt von so viel Schönheit wand ich meinen Blick
ab und blickte durch die Tränennasse Windschutzscheibe, an der in
jenem Augenblick tausende von Mücken ihren Tod fanden. Das Sterben
der kleinen Insekten konnnte ich hören- es waren so viele, daß
ein leises Prasseln erklang. Mein Kopf war jetzt etwas klarer. Es war
recht still im Wagen. Außer dem leisen Geräusch einer hängenden
CD, der sterbenden Mücken und dem tiefen, gleichmäßigen
Schnurren des Dieselmotors war nichts zu hören- kein anderes Auto
weit und breit, kein Feind kam uns entgegen, es war totenstill. Kein Wind,
keine Vögel oder die laute nachtaktiver Tiere waren zu hören.
Warum war ich hier auf dieser Straße? Was machten wir in dieser
wunderschönen Ödnis? Sollten wir nicht längst in Montréal
angekommen sein? Ich war um 16 Uhr Ortszeit gelandet, der Flughafen nur
eine knappe Stunde von der Stadt entfernt. Ich schaute in den Rückspiegel-
auf der Rückbank waren alle aneinandergekuschelt eingeschlafen. Ich
blickte neben mich zu Bernie Duffy, der den Wagen fuhr. Er hatte beide
Hände fest am Lenkrad, der Fuß ruhte auf dem Gaspedal. Mit
180 Meilen brausten wir immer geradeaus durch die Nacht. Bernies Kopf
war tief hinunter auf seine Brust gesunken, seine Augen geschlossen und
aus seinem Mund hing ein Speicheltropfen an einem Faden wie eine kleine
schwebende Spinne. Bernie Duffy schlief wie ein kleines Kind! Außer
mir schliefen alle!
Ich erlitt einen kurzen Ohnmachtsanfall und kalter Schweiß trat
aus all meinen Poren. Wie lange wir wohl schon so führerlos durch
die Nacht rasten? Wie durch ein Wunder waren wir nicht von der Straße
abgekommen. Es ging ja auch schon seit Stunden immer geradeaus. Ich riss
mich zusammen und griff vorsichtig mit der linken Hand zwischen Bernies
Hände an das Steuerrad und mit der rechten Hand an die Handbremse.
Das Schlimmste, was passieren konnte, war, daß Bernie während
meines Eingriffes aufwachte und im Schock das Lenkrad herumriss. Dann
wären wir wohl alle tot. Oder, schlimmer noch, einige von uns wären
schwer verletzt und würden lange leiden, unter einsamen Schmerzen
dahinsiechen und schließlich sterben. Man würde uns nicht allzu
schnell finden, denn diese Straße schien nicht häufig benutzt
zu werden.
Doch glücklicherweise schliefen alle einfach weiter und ich brachte
den Wagen mit abwürgtem Motor mitten auf der Straße zum Stehen.
Zitternd öffnete ich die Tür, stellte einen Fuß auf die
Straße und schloss die Augen.
Hallo Kanada, ich bin noch da. Jetzt regten sich einige hinten im Auto,
jemand rief: "Bernie, what's up? Play some music!" Bernie öffnete
die Augen und schaute sich um. Er lächelte mich an und startete dann
wie selbstverständlich den Wagen. Ich schloss die Tür, wir fuhren
wieder los und Neil Young fing an, über Johnny Rotten zu singen.
Anscheinend hatte Bernie nichts bemerkt und die anderen auch nicht. Oder
es war normal. Ich war zu benommen, um nachzuhaken. Wir parkten aber bald
vor einer Blockhütte, die einem der Bandmitglieder zu gehören
schien, um zu pausieren. Ein Lachs wurde in einem kristallklaren Bach
geangelt, über dem offenen Feuer gegrillt, dazu eine Dose Cambell's
Soup geöffnet und ein kühles Heineken Bier aus einer Kühltasche
gezaubert. Ich fühlte mich total befreit- so hatte ich mir das Leben
in der Neuen Welt vorgestellt!
Ich fand endlich heraus, daß wir zu einer Ausstellungseröffnung
unterwegs waren, die in der Provinz stattfand, in einem Ort Namens Mullet.
Es handelte sich um die Ausschreibung einer Firma Namens C&V, die
ihre Produkte ausschließlich über das Internet vertrieb und
sich aus Steuervergünstigenden Gründen nicht in Montréal,
sondern in eben dieser Kleinstadt Mullet niedergelassen hatte, die wir
nun nach etwa fünfstündiger Fahrt erreichten.
Auflage der Kleinstadt an die Firma war, zur Kultur der Region beizutragen
und diese dadurch zu fördern- daher fand einmal im Jahr eine Aussschreibung
der Firma für Künstlerinnen, deren Gewinner an einer Ausstellung
in der Filiale der Firma teilnehmen mussten, statt. Diese Ausschreibung
war ziemlich hoch dotiert, was eine rege Konkurrenz und Teilnahme garantierte
und dem Event im Laufe der Jahre auch zu einem relativ rennomierten Ruf
verholfen hatte. Die Firma selbst vertrieb gefälschte Produkte für
Filmausstattungen, dh. sie stellte z.b. Parfumflakons von Chanel her,
die aber eben nur auf den ersten Blick danach aussahen, bei genauerem
Hinsehen aber 'Charlie' hießen und auch andersweitig ein etwas seltsames
Etikett hatten.
Mullet war typisch kanadisch, es gab rustikale Blockhüttenbauweise
und alles sah ein bißchen aus wie in einer Karl-May-Verfilmung.
Vor dem Gebäude der Firma C&V leuchteten riesige verfälschte
Logos von Revolutionsprodukten in einem Schaukasten. Das Gebäude
selbst war äußerlich ebenfalls eine Blockhütte, Innen
aber war es total entkernt und modernisiert worden und erinnerte an eine
Bankfiliale, sehr weiß und hell. Die Arbeiten selbst wurden in einem
zweigeteilten, länglichen Ausstellungsraum und einem von dort abgehenden
Vortragsraum präsentiert. Dort hing ein Beamer von der Decke und
mehrere Reihen dunkler Stühle waren aufgestellt.
Im Ausstellungsraum befand sich links von einem Redenerpult ein Wasserspender,
rechts davon eine immergrüne Topfpflanze. Das einzige Bild im Raum,
an der rechten Wand angebracht, war ziemlich groß und zeigte ein
Bild.
Der Vortragsraum war voller Menschen, anscheinend hauptsächlich aus
der Region- in ihren groben Holzfällerhemden und Jeans machten sie
in dem lichten Raum einen etwas deplazierten Eindruck. Es waren aber auch
nicht wenige Künstler- und Kuratortypen anwesend, sowie natürlich
die Preisträger.
Ein Mitarbeiter der Firma eröffnete die Ausstellung und kündigte
den folgenden Vortrag eines dänischen Preisträgerpaares an,
der den Titel "BrokenSocialScenario" trug. Diese zeigten einen
Film über ein Land, in dem nichts passierte, und sprachen darüber,
wie man freiwillig zum Halbtoten wird.
Im Anschluß wurden Schnittchen und kanadisches Quellwasser gereicht,
bis das Licht gedimmt wurde, die Gäste wieder Platz nahmen und sich
der zweite Preisträger zum Rednerpult begab. Es war ein junger Mann
mit Axt in der Hand. Diese lehnte er gegen das Pult. Er begann eine eine
Art Maschine mit Wasserspender aufzubauen und sprach dabei zu den Anwesenden:
'Willkommen. Freude. Freunde. Performance mit Energie. Vereinzelung zum
Kollektiv. Technologie der CD, das Sponsoring der Stahlindustrie. Viele
viele Hände. Digitaler Kubismus, hungrige Weiten im Würfel.'
Die Menschen im Saal murmelten ein wenig vor sich hin. Der junge Mann
lächelte und bewegte sich dann etwas nach vorne, zum Publikum.
'Ich werde jetzt gleich jedem Einzelnen eine CD in die Hand drücken
und bitte, diese während meiner Performance in der Hand zu behalten.
Richtig fest in die Hand nehmen, auch ruhig zwischen den Handflächen
reiben. Ihr könnt euch auch zu eurem Nachbarn hinwenden und eine
CD gemeinsam zwischen euch halten, wie schön. Nehmt eure CD in die
Hände, haltet sie zehn Sekunden lang fest.
Eins-zwei-. Kommt jetzt bitte nacheinander einzeln nach vorne und legt
eure CD auf den Wasserspender.'
Die Gäste folgten seinen Anweisungen, legten ihre CDs auf den Wasserspender
und blieben dann unentschlossen um den Preisträger herum gruppiert
stehen.
'Dank! Die CD. Spezialbeschichtet. Durch Körperkontakt wird Persönlichstes
darauf gespeichert. Dein genetischer Code, Körpertemperatur, Schweißfluss,
Erregtheit, die ganz eigene Kontaktgeschichte deiner Hände im Ablauf
des Tages. Dein Kontakt mit Essen, Parfum, Holz, Tabak, Gartenerde, anderer
Haut. Alles wurde jetzt gespeichert.
In zufälliger Reihenfolge habt ihr die CD's auf dem Wasserspender
gestapelt, und ihre Daten vereinen und vermischen sich. Cooperation und
Vereinzelung.
Ich greife jetzt zufällig zwei CDs aus dem Stapel heraus, die ja
nun Daten von allen Teilnehmern enthalten, von Manchen mehr, von Manchen
weniger, spanne sie hier in meine Maschine ein und- ! In Kürze werden
wir eine wunderbare Visulisierung unserer gemeinsamen, kollektiven Auralandschaft
beobachten und erleben! Auralandschaft. Kollektiv. Formen.'
Der Preisträger fummelte an seiner Maschine herum und ein buntes
Bild erschien. Die Gäste in der Galerie, die immer noch um ihn herumstanden,
starrten fassungslos in ihre gemeinsame Aura.
Da ich selbst Userin eines Macintosh-Computers bin, merkte ich natürlich
sofort, daß der junge Kunstpreisträger die Projektion nicht
mit den CDs erzeugte, sondern der an der Decke befestigte Beamer eine
einfache Videocollage aus dem 'Flurry' Apple-Bildschirmschoner, dem I-Movie
Nebeleffekt und, wie ich annahm, zerknitterter Plastikfolie, um die Illusion
der Berglandschaft zu erzeugen, projezierte.
Unter den Ausstellungsbesuchern befand sich auch eine alte Dame mit langen
roten Haaren, offensichtlich eine direkte Nachfahrin der Ureinwohner.
Diese zeigte plötzlich auf die Projektion und den Künstler und
schrie dabei schrill:' a - a - abzieh!!!! ha-ha - tzieh!!! sie schrie
a - a - abzieh!!!! ha-ha - tzieh!!!' Dann stürzte sich auf den Preisträger.
Seine dicke Chanelbrille fiel zu Boden, er versuchte die alte Frau abzuwehren
und rief dabei halbherzig: 'aber das ist doch alles nur Kunst!'
Das Publikum jedoch war innerhalb von Sekunden zum hypnotisierten Mob
geworden und folgte blindlings der Dorfältesten. Ein Mann im Holzfällerhemd
griff zur Axt und spaltetete erst den Wasserspender in der Mitte durch
und danach mit einem Schlag den Kopf des nun am Boden liegenden Künstlers.
Wasser und Blut spritzten einem Vulkanausbruch gleich durch die Projektion
und liefen sodann als Lavaströme an der Wand herunter. Ein Meisterwerk
war entstanden.
Ich hatte mir vor Angst und Lachen in die Hose gepinkelt, bemerkte es
aber erst in diesem Moment, während ich in einem Strom erregter Kanadier
aus dem Gebäude getragen wurde.
Ich war völlig außer mir, meine Synapsen arbeiteten auf Höchstgeschwindigkeit
und ich nahm diese Axtkunstgeschichte als ein Zeichen: ich hatte endlich
geschafft, mir selbst ans Bein zu pinkeln- also konnte ich auch beruhigt
wieder mit der Kunstproduktion beginnen.
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
ah-ah-abzieh
(...)
(mind. 10 min monoton, aber rhythmisch)
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